Stativ-Test: Bilora Video Pro II gegen Manfrotto 755 CX 3-M 8Q
- Joachim Sauer
Filmer filmen, Fotografen fotografieren – weit gefehlt: Der Trend zur Überschneidung ist inzwischen offensichtlich – und das hat Auswirkungen aufs passende Stativ. Zum Vergleich hat VIDEOAKTIV das Foto-Video-Stativ von Manfrotto gegen das herkömmliche Videodreibein-Set Bilora Video Pro II gestellt und sich dabei nicht nur auf die Videoeigenschaften konzentriert.
Fotostative bieten neben der dritten Neigeebene fürs Hochformat weitere Besonderheiten; so müssen sie beispielsweise die vom Spiegel der DSLR-Kameras verursachten Schwingungen verkraften, denn sie provozieren bei langen Brennweiten und Belichtungszeiten deutlich sichtbare Unschärfen. Bemerkenswert ist zudem die Feststellabweichung, mit der die Tester die Veränderung des Bildausschnitts beim Fixieren ermitteln. Videografen verzichten dagegen auf Flexibilität und arbeiten gerne mit Boden- oder Mittelspinne, um so die Stativbeine gleichmäßig ausfahren zu können. Das verhindert dann allerdings verschiedene Abspreizwinkel.
Manfrotto 755 CX 3-M 8Q Der videotaugliche Kopf hockt auf einem einholmigen Dreibeinstativ ohne Bodenverstrebung oder Mittelspinne. DafĂĽr lassen sich die Beine in drei automatisch einrastenden Winkeln abspreizen. Die Kunststoffklemmen zu arretieren, gelingt selbst mit Handschuhen, gummierte FĂĽĂźe sorgen fĂĽr sicheren Halt; Spikes fehlen.
Der massive Kopf sitzt auf einer gefrästen Halbschale – ihn auszurichten klappt exakt und schnell am gummierten Ende der Mittelsäule. Die Kamera selbst thront auf einer automatisch einrastenden Stativplatte. Dank der Schienen gelingt auch ein Gewichtsausgleich. Alle Achsen des Stativkopfs tragen Skalen, besonders wichtig für Panorama-Fotografie. Die horizontale und die vertikale Achse warten jeweils mit großzügigen Reglern für Friktion und Arretierung auf. Mit zwei Auszügen und ausgefahrener Mittelsäule kommt das Set auf eine maximale Arbeitshöhe von 178 Zentimetern. Montiert man die Mittelsäule umgekehrt, erreicht der Stativkopf Boden-Niveau. So viel Flexibilität gibt es sonst nicht bei Videostativen.
Vertikale wie horizontale Achse sind fluidgedämpft und damit uneingeschränkt videotauglich. Im Praxistest bei offener Friktion gelangen Schwenks problemlos in alle Richtungen. Bei schnellen Schwenks kommt's schon mal vor, dass ein Stativbein abhebt – besonders bei stärkerer Friktionseinstellung. Hier sorgte ein schwereres Stativ – etwa aus Alu – für mehr Standfestigkeit. Mit schweren und langen Optiken weicht das Set von der Ausrichtung ab – hier wäre eine Schiene zum Ausgleich sinnvoll. Die von DSLR verursachten Vibrationen beim Fotografieren dämpft das Set dagegen gut.
Spinnenlos: Manfrottos 755 CX 3-M 8Q besitzt keine Boden- oder Mittelspinne.
Guter Grip: Dank Spikes an den FĂĽĂźen bietet das Stativ auch im AuĂźeneinsatz einen guten Halt.
Bilora Video Pro II Doppel-Profilo Günstig, aber nicht billig – so der erste Eindruck vom Stativ-Set Bilora Video Pro II. Auf Experimente und Überraschungen verzichtet der Hersteller: Die doppelt ausgeführten Beine sind aus günstigem Aluminium gefertigt. Dennoch kommt das Set nur auf ein Gesamtgewicht von 3,1 Kilogramm. Die Kunststoffklemmen sind dem günstigen Preis geschuldet; sie lassen sich mit wenig Kraftaufwand und selbst mit Handschuhen gut bedienen. Spiel haben die automatisch ausfahrbaren Holme nicht. Das Stativ erreicht lediglich eine maximale Arbeitshöhe von 154 Zentimetern – für Videostativ-Sets ein normaler Wert. Klar: Wegen der fehlenden umkehrbaren Mittelsäule schafft das Set nicht Boden-Niveau – die minimale Arbeitshöhe beträgt 71 Zentimeter.
Dafür punktet das Set im Outdoor-Einsatz mit Spikes, die sich wahlweise aus den Gummifüßen herausdrehen lassen. Für Stabilität steht eine fixierte Mittelspinne – auf Kosten der Flexibilität. Der Stativkopf sitzt in einer gegossenen Halbschale, ihn auszurichten geht nicht ganz so ruckelfrei vonstatten wie beim Manfrotto-Kopf.
Für die Friktion der horizontalen und vertikalen Achse ist jeweils ein großer Regler zuständig – Extraschalter zum Fixieren sieht Bilora nicht vor, auf Skalen an den Achsen verzichtet der Hersteller. Fürs Filmen sind sie nicht unbedingt nötig. Der Führungsgriff lässt sich um 180 Grad drehen und qualifiziert sich damit für Rechts wie Linkshänder. Die große Stativplatte rastet automatisch ein und erlaubt so die einhändige Bedienung. Manko: Die Stativplatte ist nicht als Schiene zum Ausgleich schwerer Optiken ausgelegt.
Im Praxistest kann das Bilora Video Pro II überzeugen. Selbst schnelle Schwenks verträgt es bei offener Friktion ohne Probleme. Bei starker Friktionseinstellung hebt jedoch auch hier schon mal ein Bein ab – da ist Behutsamkeit gefragt. Alle Achsen laufen geschmeidig, den Reibungswiderstand kann der Filmer fein dosieren. Im Fotoeinsatz macht das Set ebenfalls eine gute Figur: Vibrationen steckt es locker weg, lediglich lange und schwere Optiken führen auch hier zu Abweichungen bei der Ausrichtung.
FAZIT
Foto und Video mit einem Stativ-Set ist möglich – aber nicht ohne Kompromisse. Entscheidend ist, ob der Käufer mehr Wert auf die Foto- oder Video-Fähigkeiten legt. Das Bilora-Stativ erreicht mit 72 Punkten die für Consumer-Stativ-Sets bisher beste Bewertung. Es schneidet bei Video besser ab, das professionelle Manfrotto punktet mit mehr Flexibilität im Foto-Alltag. Beim Preis-Leistungsverhältnis hat Bilora klar die Nase vorn: „hervorragend”. Für uneingeschränkte Foto-Tauglichkeit fehlt ihm jedoch eine Hochkant-Achse.