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Der Ball ist eine Kugel: Fußball Live-Produktion in 3D

Unbenanntes Dokument Bislang galt der Ball als rund, das ist sicherlich richtig, aber perspektivisch gesehen ist er eine Kugel. Doch wer nicht im Stadion sitzt, der bekam den Ball bisher auf der Mattscheibe eben doch nur rund präsentiert. Das ändert sich während der Fußball-WM 2010 in Südafrika. Zumindest für denjenigen, der die Möglichkeit hat, eines der 25 dreidimensional produzierten Fußballspiele in all ihrer Räumlichkeit zu sehen.
 

Wer in diesen Genuss kommt ist auch weniger als einen Monat vor Beginn der WM noch nicht klar, denn die Verhandlungen mit Sendern und Kinobetreibern sind in vollem Gange. Sicher ist jedoch noch nichts, möglicherweise kann man die Spiele in ausgewählten Kinos sehen. Sicher ist lediglich, dass man Highlights des Vortages auf der Berliner Fanmeile sehen kann. Diese knapp geführten Verhandlungen zeigen, wohl auch der Erfolg eines Filmes wie Avatar die Ereignisse derart beschleunigt hat, dass selbst die Industrie Probleme hat Schritt zu halten.

Produktionsseitig ist man dagegen schon so weit, dass es möglich ist ein Fußball-Spiel live in 3D zu übertragen. Dass dies alles andere als einfach ist, zeigte ein Besuch bei der vermeintlich letzten Probe einer 3D-Live-Produktion der französischen Fußball-Liga in Monaco.

Als letzter Test vor der WM soll das Spiel Monaco gegen Nancy in 3D produziert werden. Beide Mannschaften stehen kurz vor Saisonende im Mittelfeld der Tabelle, das Spiel selbst verspricht also nicht viel Spektakuläres. Ganz anders die dreidimensionale Produktion des Spieles. Verantwortlich dafür ist die Schweizer Firma HBS. Sie hat von der FIFA den Auftrag erhalten die Weltmeisterschaft in 3D zu produzieren. Und so ist es vor allem deren Produktionsleiter Peter Angell, der den interessierten Journalisten das Thema näher bringt. Für die Firma HBS werden zwei Produktionsfirmen mit ihren 3D-Ü-Wägen in Südafrika sein, die britische Firma Telegenic und die französische Produktionsfirma AMP, deren Ü-Wagen auch in Monaco im Einsatz ist.

 

Die Kameras, deren Signale der Ü-Wagen bekommt sind schon aufgebaut, als wir ins Stadion kommen. Acht Kamerapaare halten das Spielgeschehen fest. Genutzt werden die Modelle HDC-1500R von Sony. Dass es nicht mehr sind, liegt unter anderem am Platzmangel, denn während der WM sind neben den 3D-Kameras ganze 32 Kameras dafür zuständig die Spiele in 2D zu übertragen. Davon abgesehen ist es technisch schwierig beispielsweise 3D-Steadycams zu nutzen. So stehen je zwei Kamerapaare hinter den Toren, zwei am Spielfeldrand und vier auf der Tribüne.

Eine Besonderheit der Tribünenkameras: Sie stehen deutlich niedriger als die 2D-Kameras. Auch hier ist ein Grund der Platzmangel, wichtiger ist in diesem Fall jedoch dass der niedrigere Blickwinkel aufs Spielfeld mehr Bildtiefe ermöglicht. Kameras auf der Tribüne sind sogenannte Side-By-Side-Kameras, dass heißt sie stehen nebeneinander. Für den Kameramann ändert sich bei einer Live-Produktion nicht viel. Er selbst sieht nur ein 2-dimensionales Bild, ist für das Zoomen und Fokussieren zuständig. Allerdings muss er sich insgesamt etwas zurücknehmen, zumindest was Schwenk und Zoomgeschwindigkeiten anbelangt, so Peter Angell.

Doch nicht nur der Kameramann am Stativ steuert die Kameras, auch der Konvergenz-Operator in der Stereographie-Sektion im Ü-Wagen legt quasi Hand an. Er steuert die Konvergenz und Interaxial-Differenz der beiden Kameras. Das ist möglich weil die Kameras auf einem so genannten Rig befestigt sind, die diese Eingriffe ermöglichen. Die Konvergenz ist der Winkel der beiden Kameras zueinander. Wie beim menschlichen Auge blicken die Objektive mehr aufeinander zu je näher ein Objekt kommt. Ist das Objekt weit entfernt gerät der Blickwinkel im Extremfall nahezu parallel. Die zweite variable Einstellung, die der Stereograph vornimmt ist die Interaxial-Differenz, womit der Abstand der beiden Kameras voneinander gemeint ist. Dieser Abstand bestimmt die Bildtiefe und damit in besonderem Maße die räumlichen Bildeindruck. Diese beiden Eingriffsmöglichkeiten sind so existenziell, dass neben der Kamera einen Fernbedienung liegt, mit der sich im Falle eines Problems der Steuerung vom Ü-Wagen aus, die Kameras auch vor Ort justieren lassen.

Während die Interaxial-Differenz bei den Tribünen-Kameras nun nicht so gering sein muss, sieht die Sache bei den Kameras am Spielfeldrand anders aus. Hier muss sie mitunter so gering sein, dass der Abstand geringer sein müsste als es mit zwei nebeneinander stehenden Kameras möglich ist. Daher greift man hier zu einem Trick und versetzt eine Kamera um 90 Grad und filmt durch einen Spiegel. Nur so können die Optiken sich quasi überschneiden. Um vom dies zu ermöglichen wird ein Split-Adapter eingesetzt, der es ermöglicht bei den genutzen 1500er-Kameras den Teil mit der CCD vom Rest zu trennen.

 

In der Praxis hat sich gezeigt, dass es trotz der Möglichkeit Konvergenz und Interaxial-Differenz zu steuern nicht immer möglich ist ein so exaktes Bild zu kreieren, um einen optimalen 3D-Effekt zu erreichen. Daher reicht der Eingriff ins Bild noch viel weiter. Wichtig ist dafür die Möglichkeit neben den Bildsignalen auch die Position von Zoom und Fokus an den Ü-Wagen zu übertragen. Und das jeweils doppelt für jede Kamera einzeln. So führen gleich zwei Glasfaserkabel in den Ü-Wagen.

Die Trennung von rechtem und linkem Bildsignal bleibt während der ganzen Produktion bestehen, bis das unkomprimiert verarbeitete Bildsignal JPG2000-komprimiert mit jeweils 300 Megabit pro Sekunde an den Satelliten gesandt wird. Doch bevor dies geschieht, ist vor allem ein Baustein der 3D-Produktion gefragt, die 3D-Box MPE-200 von Sony. Diese 38.000 Euro kostende unscheinbare Box inklusive Software sorgt dafür, dass aus den Kamerasignalen ein sendefähiges 3D-Bild wird. Die Box arbeitet mit einem Cell-Prozessor, der auch in der Playstation 3 im Einsatz ist. Daran mag man ermessen, warum Sony deren Einführung wegen der längeren Entwicklungszeit des Chips nach hinten verschieben musste. Das Warten scheint sich zumindest gelohnt zu haben.

Denn die Box mit dem Cell-Prozessor liefert zahlreiche Hilfsmittel, anhand derer sich die Kameras einrichten lassen. Sei es ein Differenz-Bild der beiden Kameras oder eine Anzeige der Bildtiefe und anderes. Neben diesen Pre-Produktions-Hilfsmitteln ist ihre Aufgabe während der Produktion diverse Bildkorrekturen durchzuführen, beispielsweise Zoom-, Positions- und Rotationskorrekturen. All dies geht quasi in Echtzeit, die Verzögerung beträgt derzeit drei Frames, das Ziel sind jedoch zwei Frames. Das ist also definitiv noch als Live zu bezeichnen. Für die digitalen Bildkorrekturen geht etwas an Auflösung verloren, mit je 10 Pixeln horizontal und vertikal ist jedoch auch dies zu verkraften.

Im Ü-Wagen selbst ist es dicht gedrängt, ein Wunder, denn für jedes Kamerapaar ist ein Konvergenz-Operator zuständig. Auch dies ist ein Faktor, der die Produktionsgröße auf acht Kamerapaare beschränkt. Neben den neuen Kollegen sitzen wie immer auch der Regisseur und die Slowmotion-Operator im Wagen und verrichten ihre Arbeit. Dabei greift man jedoch nicht ausschließlich auf 3D-Material zurück, teilweise wird auch 2D-Material eingebunden. Und zwar in den Fällen, wenn es zum Spielverständnis nötig ist, beispielsweise spezielle Zeitlupen, Trainerkameras oder anderes. Damit diese Bilder nicht gänzlich von den 3D-Bildern abweichen, werden sie per Software dimensionalisiert, was jedoch ein Kompromiss ist und bei weitem nicht den räumlichen Effekt hat. Auch hier ist man noch in der Testphase, welche Variante, das beste Ergebnis erzielt.

 

Das Ergebnis dieses Tests konnten sich die Journalisten in einem Zelt neben dem Stadion anschauen. Und zwar auf einem Broadcast-Monitor, wie er auch im Ü-Wagen im Einsatz ist und einer Polarisationsbrille. Im Wohnzimmer dürften jedoch Shutter-Brillen im Einsatz sein, wie sie Sony bei ihren Bravia-Modellen, aber auch andere Hersteller wie Panasonic oder Samsung nutzen. Erste Erkenntnis bei der Betrachtung des Spiels in 3D: So spektakulär wie Avatar ist es nicht, auch Peter Angell sagt: „Live-Sport wird niemals Hollywood sein“. Kein Wunder, denn im Gegensatz zu Hollywood ist es beim Live-Sport nicht möglich, Szenen zu arrangieren, hier passiert alles nur einmal. Möglich auch, dass die Begrenzung des Monitors den Wow-Effekt etwas mindert, im Kino mag das wieder ganz anders sein. Dennoch hat 3D-Fußball einen besonderen Reiz, vor allem für Zuschauer, die sich wirklich für Fußball interessieren. Denn hier bekommt die Tiefe des Raumes eine besondere Bedeutung. Denn ob ein Pass der Linie entlang geht oder quer übers Feld ist im 2D-Bild oft erst zu sehen, wenn der Ball bei einem Spieler ankommt. In der 3D-Variante ist dies viel transparenter. Dass die 3D-Effekte nicht so spektakulär sind, liegt auch an der Natur des Spiels. Aus dem Bildschirm heraus kommen eigentlich nur die Grafikeinblendungen. Es würde auch sehr unnatürlich wirken, wenn auf einmal ein Spieler vor dem Bildschirm stehen würde. Da haben es Avatar und Co. leichter, die einem die Raumschiffe spektakulär um die Ohren jagen können. So schaut man perspektivisch gesehen vor allem in den Fernseher.

Und dort ist der Ball nun also nicht mehr rund, sondern eine Kugel. Doch zumindest eine Fußball-Weisheit hat immer noch bestand: Denn nach dem Spiel ist vor dem Spiel und das gilt auch für die Beteiligten der 3D-Produktion in Monaco. Denn leider klappte nicht alles so wie man es sich vorgestellt hatte. So merzte ein Software-Update zwar einige Fehler aus, andere kamen jedoch hinzu. Das machte nicht nur ein weiteres Update nötig, sondern auch eine weitere Probe.

Das zeigt, mit welch heißer Nadel alle beteiligten an der 3D-Produktion stricken und in wie weit hier derzeit Pionierarbeit geleistet wird. Pionierarbeit, die natürlich ihren Preis hat. Der liegt in Sachen Produkionskosten etwa 50 Prozent über denen einer vergleichbaren 2D-Produktion. Dennoch ist es schier unglaublich, wie vergleichsweise schnell die Entwicklung voranschreitet und wie gut das Ergebnis jetzt schon ist. Denn selbst die Probleme, die es bei der Produktion gab, waren mit aufgesetzter Brille nicht zu erkennen. Ob die Bilder noch spektakulärer geworden wären, ist Spekulation. Eins steht für mich jedoch fest: Ein Kinobesuch während der WM ist Pflicht, denn noch realer als in 3D kann man Fußball nur im Stadion selbst erleben.

(sh)
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Blockbuster Fußball: Die wahrscheinlichste Art in Deutschland in dreidimensionalen Fußball-Genuß zu kommen ist wahrscheinlich auf der Leinwand im Kino.


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Mann mit Durchblick: Peter Angell von der Firma HBS stand für die Journalisten Rede und Antwort.


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Mannschaftsaufstellung: So werden die acht Kamerapaare in den Stadien bei der WM am Spielfeld verteilt sein.
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Ein harmonisches Nebeneinander: Kameras aus größerer Entfernung werden nebeneinander Positioniert (Side-by-Side).


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Getrennt und doch vereint: Um die Kameras am Spielfeldrand ganz nah zueinander zu positionieren, wird eine um 90 Grad versetzt und das Bauteil mit dem Sensor von Rest getrennt.


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Spiegel-Trick: Damit auch die untere Kamera das Geschehen auf dem Spiefeld einfangen kann wird ein Spiegel genutzt.

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Notfallvorsorge: Sollten Konvergenz und Interaxial-Differenz nicht mehr vom Ü-Wagen aus steuerbar sein, lässt sich auch die kabelgebundene Fernbedienung neben an der Kamera selbst von Hand steuern.



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Präzisionsarbeiter: Der Kovergenz-Operator im Ü-Wagen ist für den räumlichen Eindruck der Kameras verantwortlich.



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Herz der 3D-Produktion: Die 3D-Box von Sony stellt nicht nur Hilfsmittel zur Justage wie das Differenzbild in der Mitte zur Verfügung, es sorgt auch per Kamerafernsteuerung und Software-Korrektur für optimale 3D-Wirkung.

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Endkontrolle: Der 42-Zoll-Monitor in der Bildregie dient zur Endkontrolle des vom Ü-Wagen an den Satelliten gesendeten Bildsignals.


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Ernstfall: Während der Live-Produktion trug die gesamte Ü-Wagen-Crew Polarisationsbrillen, auch die Slowmotion-Operator im Vordergund.


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Da schau her: Auch die Journalisten konnten sich von der 3D-Wirkung via Polbrille überzeugen.

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